Bewertungsrichtlinien für Strassenfahrzeuge und Anhänger

Der VFFS gibt in regelmässigen Abständen die «Bewertungsrichtlinien für Strassenfahrzeuge und Anhänger» heraus. Die Aktualisierung erfolgte bis anhin im 10-Jahresrhytmus. 

  

Mit der Ausgabe 2020 wurden die gesamten BWR öffentlich.

 

Da die BWR des VFFS in einigen AVB von Versicherungen erwähnt sind, sind sie in diesem Zusammenhang verpflichtend. Das trifft nur für Fälle zu, in denen die AVB zur Anwendung kommen. Haftpflichtrechtlich sind sie nicht relevant.

 

Die BWR sind zum Teil fehlerbehaftet, widersprüchlich und in sich nicht konsistent. Die Firmen der dem VFFS angeschlossenen Personen leben zu einem überwiegenden Teil von Aufträgen der Versicherungen. Die Neutralität und Objektivität ist nicht mehr gewährleistet. Dies hat sich exemplarisch bei der Anpassung der Hagelkalkulation im Jahr 2012 gezeigt. Diese erfolgte auf Wunsch und Druck einer oder mehrerer Versicherungsgesellschaften.

 

Dass die Mitglieder des VFFS nicht neutral agieren zeigt die Tatsache, dass einige Mitglieder Hagelschäden nach Vorgaben von Versicherungen kalkulieren. Sie verwenden nicht die vorgeblich neutralen VFFS-Hageltabellen, sondern versicherungsinterne Kalkulationsvorgaben.

 

Die Ausgabe BWR 2020 löste innerhalb der Branche eine grosse Kontroverse aus. Insbesondere der Artikel 3.9 ist nachweislich falsch. Er dient einzig dem Zwecke, die Gewinne der Versicherungen weiter zu erhöhen. Gemäss einem Artikel des Tagesanzeigers beträgt die Auszahlungsquote (Anteil der bezahlten Schäden in Bezug auf die gesamten Prämieneinnahmen) schon bevor dieser Artikel in Kraft gesetzt wurde, nur noch 38%. Das bedeutet, dass 62 Rappen von jedem einbezahlten Franken bei der Versicherung verbleiben. Mit dem Artikel 3.9 könnte diese Quote noch einmal verbessert werden.

 

Der Artikel 3.9 im Wortlaut (Quelle VFFS):

 

3.9 Reparaturgrenzwert

Der Reparaturgrenzwert entspricht maximal dem Zeitwert des Fahrzeuges. Übersteigen die Reparaturkosten den Reparaturgrenzwert, so liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Grundsätzlich sollte aus ökologischer und ökonomischer Sicht eine Reparatur am Fahrzeug geprüft werden, wenn sie den Zeitwert abzüglich Wert der Überreste übersteigt. (Wert der

Fahrzeugüberreste siehe auch Abschnitt 2.2.)

 

Dem Fahrzeughalter kann anstelle der Reparatur auch der Wiederbeschaffungswert angeboten werden. Es existieren auch vertraglich festgelegte Reparaturgrenzwerte (Versicherungen, Leasinggesellschaften usw.).

 

Unsere Stellungnahme zum Artikel:

 

3.9 in Bezug auf ökonomische Sicht

 

Optik Geschädigter

Ein Schaden ist gemäss juristischer Definition eine unfreiwillige Vermögensverminderung. Diese Vermögensverminderung muss durch die haftpflichtige Versicherung zu 100% ausgeglichen werden. Dem Geschädigten steht bis zum Erreichen des Fahrzeugwertes die Entschädigung dieser Vermögensverminderung zu. Aus der Summe von Reparaturkosten und Verkauf des beschädigten Fahrzeuges erhöht sich der Wert des unbeschädigten Fahrzeuges implizit. Wenn dieser Wert einseitig von der Versicherung abgeschöpft wird, entsteht kein ökonomischer Vorteil für den Geschädigten.

 

 

Optik Versicherung

Der entsprechende Artikel dient der Versicherungswirtschaft zur Gewinnoptimierung und ist aus dieser Optik ökonomisch.

 

Optik Reparaturbetrieb

Es entsteht ein wirtschaftlicher Schaden aufgrund des ausbleibenden Auftrages und ist daher natürlich ökonomisch nachteilig.

 

Optik Gesamtwirtschaft

Wertschöpfung wird vernichtet, Arbeitsplätze gefährdet. Der Werkplatz Schweiz verliert.

 

3.9 in Bezug auf ökologische Sicht

Wissenschaftliche Studien bezüglich Ressourcenverbrauch und Stoffstromanalyse sind eindeutig: Das unter hohem Aufwand von Ressourcen und Energie produzierte Produkt Automobil ist umso ökologischer, je länger es genutzt wird. Einzige Ausnahme: Verbrennungsmotoren ohne Katalysator (Benzin) oder ohne Partikelfilter (Diesel Euro 3 und tiefer). Der Passus bezüglich Ökologie ist falsch und dient nur, den ökonomischen Vorteil zu Gunsten der Versicherung zu alimentieren. Weiter:

 

1.         Wenn ein Auto aus dem Aspekt des Umweltschutzes aus dem Verkehr genommen wird, muss die definitive Stilllegung sichergestellt werden.

2.         Autos werden oft in Länder verkauft, in welchen die Wartung nicht sichergestellt ist. Zudem werden Abgasreinigungssystem oft ausgebaut. Daraus resultiert eine ökologische Verschlechterung.

3.         In den meisten Ländern, in die Autos aus der Schweiz exportiert werden, ist kein ökologisches Recycling sichergestellt. Wenn das Auto dann auch dort das Nutzungsende erreicht hat, wird die Umwelt massiv verschmutzt.

 

Sowohl aus ökonomischen wie auch aus ökologischen Gründen ist der Artikel 3.9 nicht vertretbar.

 

Links:

https://www.vcd.org/themen/auto-umwelt/autokaufberatung/oekobilanz-auto/

https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/exclusiv-im-ersten-abgewrackt-und-exportiert-video-102.html

 

SonntagsZeitung Geschäft mit Unfallautos
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© Swissgarant

Dezember 2019 / überarbeitet September 2020 / überarbeitet Dezember 2020

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